Kantonale KESB- und Energieinitiative auf dem Prüfstand
9. Mai 2017 – Bericht zu überparteilicher Infoveranstaltung vom 4. Mai 2017 in Siebnen über die zwei kantonalen Initiativen «Keine Bevormundung der Bürger und Gemeinden» und «PlusEnergiehaus – das Kraftwerk für den Kanton Schwyz»
Interessierte Personen aus der Obermarch trafen sich am 4. Mai 2017 in Siebnen zu einer überparteilichen Podiumsveranstaltung über die bevorstehenden kantonalen Abstimmungen.
Urnengänge haben nicht nur den positiven Effekt, dass man anschliessend mehr Klarheit hat, wie es im betroffenen Bereich weitergeht. Wichtig ist auch – unabhängig vom Ausgang der Abstimmung – der dahinterliegende Meinungsbildungsprozess. Die Themen kommen auf den Tisch und werden heiss diskutiert. Voraussetzung dafür sind Gelegenheiten mit umfassenden Informationen versorgt zu werden, Fragen beantwortet zu bekommen und zu verstehen, was andere denken. Bezüglich der nationalen Themen findet dieser Prozess zu einem schönen Teil in den sozialen Medien statt. Die kantonalen oder kommunalen Fragen kommen aber eher zu kurz.
Etwa 50 Personen aus der Obermarch liessen es sich aber trotz geringerer medialer Ausstrahlung nicht nehmen, sich umfassend über die am 21. Mai 2017 zur Abstimmung gelangenden kantonalen Initiativen «Keine Bevormundung der Bürger und Gemeinden» und «PlusEnergiehaus – das Kraftwerk für den Kanton Schwyz» zu informieren.
Im ersten Teil des Anlasses wurde die Funktionsweise der KESB aus zwei Perspektiven beleuchtet und die Chancen und Risiken der sogenannten KESB-Initiative «Keine Bevormundung der Bürger und Gemeinden» beleuchtet. Seitens der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde gab der Gastreferent Mario Häfliger, Leiter der KESB Ausserschwyz, einen spannenden Einblick in deren Tätigkeiten. Als Vertreter einer Gemeinde informierte Kantonsrat Ivo Husi, der im Schwyzer Gemeinderat das Ressort Soziales führt, äusserst offen über die Zusammenarbeit der Sozialämter mit der KESB. Leider war es dem Pro-Komitee der Initiative trotz grosszügiger Vorlaufzeit nicht möglich, einen Vertreter an diesen Anlass zu senden – Schade!
Wie Mario Häfliger darlegte, operiert die KESB im untersten Netz des sozialen Gefüges. Nur wenn sich keine Leute finden lassen, welche sich um gefährdete Personen kümmern wollen und können, werde die KESB aktiv. Zudem sei sie dann daran gehalten mit der nötigen Sorgfalt in Gesprächen die „schwächst möglichen“ Massnahmen zu identifizieren und anzuordnen. Es überrasche daher nicht, dass seine Organisation im letzten Jahr bei etwa 1900 Fällen nur etwa 20 Fremdplatzierungen verfügen musste, wovon etwa zur Hälfte auf freiwilliger Basis. Massgebend für die Arbeit der KESB seien Bundesgesetze, die unabhängig von der Form der Organisation anzuwenden sind.
Neue Verpackung für selben Inhalt nötig?
Genau bei diesem Punkt setzte auch das Referat von Ivo Husi auf. Nur dadurch, dass die Gemeinden zum Träger und zur Aufsichtsbehörde der KESB werden, wie dies die Initiative verlangt , ändere sich grundsätzlich nichts an der inhaltlichen Arbeit der KESB, da diese ja durch Bundesrecht geregelt sei. Im Gegenteil erhöhe sich bei kleineren KESB-Gebilden das Risiko, dass die Sachkompetenz zu kurz komme und finanzielle Interessen übergewichtet werden, beides zu Lasten der Klienten. Natürlich könne umgekehrt durch eine stärkere Einbindung der Gemeinde die Qualität der KESB Entscheidungen auch erhöht werden. In diesem Bereich sei man aber nach anfänglichen Schwierigkeiten auf gutem Weg. Ein kürzlich eingereichter Vorstoss für eine «gesetzlich geregelte Zusammenarbeit zwischen KESB und Gemeinden» dürfte diesem Aspekt in Zukunft noch mehr Rechnung tragen. Unter all diesen Umständen sei es nicht überraschend, dass sich 95% der Fürsorgebehörden des Kantons Schwyz gegen die Initiative «Keine Bevormundung der Bürger und Gemeinden» aussprechen.
In der abschliessenden Diskussion, in welche sich auch Josef Bruhin, der für Soziales zuständige Gemeinderat der Gemeinde Schübelbach einbrachte, wurde nochmals darauf hingewiesen, dass unabhängig von der Organisation Fehlentscheide leider nicht völlig ausgeschlossen werden können. Man sei aber noch nie so gut aufgestellt gewesen, aus Fehlern zu lernen und die Qualität der KESB-Arbeit laufend zu verbessern. Damit dieser positive Prozess nicht wieder um Jahre zurückgeworfen werde, sei es sehr wichtig die KESB-Initiative abzulehnen.
Im zweiten kontradiktorischen Teil der Podiumsveranstaltung stand die im Januar 2014 von der CVP des Kantons Schwyz eingereichte Energieinitiative auf dem Prüfstand. Alt-Nationalrat Reto Wehrli, der „Vater“ der Initiative, liess es sich nehmen, diese selbst vorzustellen. Ihm Paroli zu bieten versuchte der Kantonsrat Josef Landolt aus Einsiedeln.
Ethisch, ökonomisch und ökologisch richtig aber …?
Wie Reto Wehrli einführend erläuterte, sei die Initiative extrem einfach gehalten und vom Gedankengut sehr liberal, Wohl deshalb könnten auch einige Schwyzer FDP Politiker voll hinter derselben stehen. Zum einen gehe es darum, dass alle ab 2018 neu erstellten Gebäude übers Jahr gemittelt mehr Energie produzieren müssen, als diese verbrauchen. Zum andern sei für die energetische Optimierung bestehender Bauten ein Anreiz-System zu schaffen, damit der Gesamtverbrauch an Energie reduziert werden könne. Die Initiative sei nicht etwa Phantasterei. Plusenergiebauten seien heute Realität und die Mehrkosten für deren Realisierung marginal bis nicht existent. Bereits über Zeiträume von weniger als 10 Jahren gerechnet fahre man mit einem Plusenergiehaus finanziell besser als mit einem nach aktuellem Standard gebauten Haus. Die ökonomischen Randbedingungen dürften sich gar noch wesentlich verbessern, wenn die Bauwirtschaft einmal über klare Rahmenbedingungen verfüge, wie diese die Initiative vorsieht. Es sei an der Zeit, dass man die in der Bundes- und Kantonsverfassung sowie entsprechenden Gesetzen festgehaltenen Grundsätze, dass unsere Energieversorgung sicher, wirtschaftlich und umweltverträglich sein müsse, auch tatsächlich umsetze. Der gesamt jährliche Energieverbrauch der Schweiz – alles eingerechnet – beträgt etwa 250 TWh. Das ist etwa 10-mal so viel, wie all unsere AKWs produzieren. Davon könnten mit sofort verfügbaren und wirtschaftlich sinnvollen Technologien alleine durch Massnahmen im Gebäudebereich etwa 1/3 eingespart und 1/4 zusätzlich produziert werden. Dies würde dem wirtschaftlichen Unsinn, dass die Schweiz, im Jahr über 10 Milliarden Franken für den Import von fossilen Energieträgern aufwenden, statt unser Energieproblem in lokaler Wertschöpfung selbst anzugehen, endlich ein Ende setzen. Die aktuelle Energiepolitik sei auch aus ethischer und geopolitischer Sicht sehr problematisch, würden durch den Import von fossiler Energie doch hauptsächlich Länder unterstützt, die unsere Werte nicht gerade hochhalten oder gar Extremismus und Terrorismus fördern.
Auf rein sachlicher Ebene konnte Josef Landolt diesen Argumenten wenig entgegen halten. Es entspreche der Realität, dass man heute Plusenergiebauten mit nahezu null Mehrkosten erstellen könne und, dass das Energie-Sparpotential beim aktuellen Gebäudebestand riesig sei. Was ihn dazu bewege, die Initiative zu bekämpfen, seien vor allem die zu erwartende hohe Anzahl an Ausnahmebewilligungen und die damit verbundene Bürokratie. Insbesondere in Gebieten mit geringer Sonneneinstrahlung sei es schwierig bis unmöglich, das geforderte Plus an Energie zu produzieren. Er fände es auch grundsätzlich problematisch, dass man die Freiheit der Energiewahl einschränke, könne es doch durchaus sinnvoll sein, Bedarfsspitzen an Wärmeenergie, z.B. mit einer Gasheizung abzudecken. Zudem finde der Energieoptimierungsprozess auch ohne staatliche Eingriffe statt. So werden heute im Vergleich zu früher fast keine Ölheizungen mehr in neue Gebäude eingebaut.
Reto Wehrli konterte die Gegenargumente souverän. Natürlich seien Ausnahmebewilligungen zu erwarten. Diese liessen sich aber z.B. durch Zulassen von Verbundsystemen, in welchen positive und negative Energiebilanzen verrechnet werden könnten, reduzieren. Zudem sei der Kontrollaufwand bei Plusenergiebauten extrem gering, müssten doch nur zwei Zahlen, wieviel Energie verbraucht und wieviel produziert wurde, gemessen und verglichen werden. Innerhalb der Rahmenbedingung, dass nicht mehr Energie verbraucht als produziert wird, sei der Hausbesitzer auch völlig frei bei der Wahl der Massnahmen. So seien natürlich auch Gasheizungen nach wie vor zugelassen und allenfalls auch sinnvoll zur Erreichung des Gesamtziels. Wie die Wirtschaftlichkeitsrechnungen darlegen, wolle die Initiative auch auf keinen Fall gegen Marktkräfte ankämpfen. Die Wirtschaft brauche aber die nötigen klaren Rahmenbedingungen und Anreize, um sich im Energieoptimierungsbereich voll entfalten zu können. Es gebe daher abschliessend wirklich nicht viele stichhaltige Gründe der Initiative die Zustimmung zu verwehren.
Zum Abschluss der Veranstaltung bedankten sich Margret Kessler und Peter Meyer im Namen der organisierenden CVP-Sektionen der Gemeinden Schübelbach und Galgenen herzlich beim Moderator des Anlasses, Kantonsrat Mathias Bachmann, den Referenten sowie den interessierten Besuchern. Nachdem man sich nun eine Meinung habe bilden können, sei es wichtig diese auch an der Urne kundzutun.
Beim offerierten Apéro hatten die Teilnehmer noch Gelegenheit offen gebliebene Fragen bei den Referenten zu klären und sich gegenseitig auszutauschen.