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«Notstand zu erklären ist nicht leicht»

25. März 2020

Bericht aus Bern

«Notstand zu erklären ist nicht leicht»

Bei der Verabschiedung in der zweiten Woche rätselten wir untereinander, ob die dritte Woche der Frühlingssession stattfindet und wann wir uns wiedersehen werden. Sollen wir die Unterla-gen auf den Pulten liegen lassen oder es aufgeräumt hinterlassen? Ich entschied mich fürs Aufräumen. Meine Bürogemeinschaft nahm bewusst noch einen Abschiedstrunk und tütschte Ostereier, bevor wir auf die Züge gingen.

Wichtige Geschäfte aufgeschoben
Am Freitagabend teilte die Verwaltungsdelegation des Parlaments mit, dass die Session trotz der sich verschärfenden Corona-Pandemie fortgesetzt wird. Persönlich konnte ich dies fast nicht glauben, denn viele Massnahmen, die der Bundesrat ebenfalls am Freitag bekanntgege-ben hatte, konnten im Parlamentsbetrieb gar nicht eingehalten werden. Ich war mir fast sicher, dass dieser Entscheid vom Büro der beiden Räte wieder aufgehoben wird. So kam es dann auch. Am Sonntagabend kam ein E-Mail, dass die dritte Sessionswoche abgesagt ist.
Die wichtigsten Geschäfte dieser Woche wären die Behandlung des CO2-Gesetzes, die Über-brückungsleistungen für ältere Arbeitnehmende, die Differenzbereinigung beim Zivildienstge-setz, aber auch die Verabschiedung eines Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitia-tive gewesen.
Die Überbrückungsleistungen wollten Bundesrat und Parlament vor dem 17. Mai beschliessen, weil dies im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit mit der EU steht und dies die Ab-stimmung über die Begrenzungsinitiative nach Ansicht gewisser Kreise beeinflusst. Das Ge-schäft befindet sich in der Differenzbereinigung; im Grundsatz sind sich aber Ständerat und Nationalrat einig, dass der Bund ältere Ausgesteuerte grosszügiger unterstützen soll.

Alles abgesagt
Am Montagabend verfolge ich die Pressekonferenz des Bundesrates im Fernsehen. Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe der drei anwesenden Bundesrätinnen und von Bundesrat Ber-set, den Notstand zu erklären. Ich staune, wie ruhig und überlegt der Bundesrat informiert und auf die zum Teil aggressiv-kritischen Fragen der Journalisten gelassen reagiert. Zusammen mit den anwesenden Verwaltungsverantwortlichen hat unsere Landesregierung einen sehr guten Job gemacht.

Die angeordneten Massnahmen des Bundesrates betreffen meine Tätigkeit als Braumeister in viel grösserem Masse weder als Politiker. Wenn alle Restaurants bis am 19. April geschlossen bleiben, bedeutet das für unseren Betrieb 95 Prozent Umsatzeinbusse und damit Stillstand des Betriebs. Alle eingegangenen Bestellungen von Restaurants werden noch am Montagabend annulliert.

Als Präsident des Schweizerischen Getränkehandels werde ich kurz nach der Pressekonfe-renz und den ganzen Dienstag mit Fragen von Getränkehändlern aus der ganzen Schweiz regelrecht bombardiert. Gelten Getränkehändler als Lebensmittelbetriebe, können sie weiter Getränke ausliefern, können die Getränkeabholmärkte geöffnet bleiben, wie ist das Vorgehen bezüglich Einführung der Kurzarbeit und so weiter?

In der Stadt Basel schliesst am Dienstagvormittag die Polizei einen Getränkeabholmarkt. Dem Besitzer dieses Getränkeladens habe ich noch kurz vorher bestätigt, dass nach meiner Inter-pretation Getränke als Lebensmittel gelten und deshalb der Betrieb offen bleiben darf. Zum Glück erhalte ich vom Bundesrat die Erläuterungen zur Verordnung. Darin steht, dass Läden und Betriebe, die der Bevölkerung zur Deckung des täglichen Bedarfs dienen, offengehalten werden müssen. Darunter fallen auch Getränkeläden, die Mineralwasser, Süsswasser, Bier, Wein und Spirituosen verkaufen. Die Polizei respektive die Verwaltung der Stadt Basel hat übereifrig gehandelt. Kurz nachdem der Besitzer meine klärenden Unterlagen erhalten hatte, konnte der Laden wieder geöffnet werden.

Diese Krise wird uns alle weltweit weiterhin massiv beschäftigen. Ich wünsche uns allen ein gute Gesundheit und sehne mich danach, wieder an einem Wirtstisch miteinander anstossen zu dürfen.

Alois Gmür, Nationalrat

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